Brief an L Hallo L, die aktuellen Umstände stehen anscheinend momentan so, dass ich dir einen Brief schreiben muss. Ich plane allerdings nicht dir diesen Brief zu schicken. Nicht zumindest in der nahen Zukunft. Er dient mir dazu ein Gespräch mit dir zu führen, dass ich mich vor scham nicht traue irl zu haben. Ist das nicht ein schöner Gedanke diese ganzen Gedanken einfach in dieser kleinen Zeitkapsel ruhen zu lassen? Wo fangen wir denn an. Also ich erinnere mich als du mir schriebst, dass du jemanden kennengelernt hast und ihr gekuschelt habt. Ich weiß nicht genau was ich in dem Moment gedacht hatte, da ich betrunken war an dem Abend. Eine gewisse Form an Angst hab ich auf jeden Fall verspürt. Ich weiß nicht ob diese Angst nicht Eifersucht war oder ich einfach Angst davor hatte, dass du mich jetzt sozial überholst und wir dadurch nicht mehr so ein gute Verbindung zueinander haben. Schließlich leben wir dann in unterschiedlichen Welten. Du siehst die Einsamkeit und Ungeliebtheit hat mich sehr unsicher werden lassen. Schon in der Vergangenheit hab ich mich von Freunden die eine ernsthafte Beziehungen angefangen haben, disassozieren lassen. Sie geben mir einen reality check. Und das bei jeder Begegnung bei der sie von ihrem Partner erzählen. Das macht mir angst. Ich will es zwar nicht zugeben aber ich bin verdammt nochmal fragil in dem Bereich. Gleiches passiert mir auch oft, wenn ich in einem Film oder in einer Serie eine Beziehung sehe. Oder wenn jemand über seine Erfahrungen mit „Liebe in der Jugend“ schwärmt. Etwas, das viele alte Menschen machen, und mich logischerweise depressiv macht weil ich es komplett verpasst habe. Von Anfang an mochte ich dich unter anderem so gerne weil wir uns in dem Bereich so ähnlich waren. Ich glaube das ist auch der Grund warum du mich gewertschätzt hast. Ich kann dir nicht wirklich definieren was Liebe ist. Und um ehrlich zu sein mag ich den Begriff gar nicht weil er viel zu subjektiv und zu wage ist. Eine Sache kann ich aber feststellen. Gefühle, Emotionen und Gedanken spielen immer eine Rolle. Immer wenn ich mich zu einer Person stark zugeneigt fühle, stelle ich mir potentielle Szenarios in der Zukunft vor. Ich weiß das hat heutzutage schon fast Meme-status „Szenarios in seinem Kopf“ zu bauen aber so ist es halt. So war es bei meiner ersten „Beziehung“ und so war es auch bei dir. In die Details dieser Szenarios muss ich glaube nicht reingehen. Dafür schäme ich mich sogar bei diesem Medium zu viel. Außerdem habe ich mich extrem Eifersüchtig gefühlst, dass du deine ersten Erfahrungen mit einer Person machst die (und das ist jetzt pure Selbsteinschätzung und copium) die dem ganzen keinen hohen Stellenwert beischreibt. Von dem was du über ihn meintest habe ich jetzt nicht so viele gemeinsame Interessen rauslesen können. Und die zugegeben wenigen male die ich euch reden gehört habe waren sehr oberflächlich und bei weittem nicht so tiefgehend wie wir Konversationen geführt haben. Auch wenn ich mir nicht anmaßen sollte hier ein Urteil fällen zu können, sind das halt so die Gedanken die einem durch den Kopf gehen. Ich dachte mir, dass wir so gut zueinander passen es wäre echt schön diese Schritte zusammengehen zu können. Niemand braucht zu viel Scham haben, da wir beide komplett unerfahren und voller Scham sind. Es wäre so eine Art nachholen gewesen von der Liebe in der Jugend die ich oben erwähnt hatte. Jetzt bin ich niemand der einen zu großen Wurbel um >das erste mal< macht aber es fühlt sich halt verdammt scheiße an wenn man sich für viel kompatibler hält der andere aber kurzerhand jemand anderen präferiert auf Grundlagen die man nicht wirklich nachvollziehen kann. Ich bin auch ein extrem neidischer Mensch. Was hat diese Person getan, dass sie mein ganzes Leid skippen kann und einfach so sexuell an eine Person rankommen kann? Weißt du wieviele traurige Nächte ich schon hatte? Wie oft ich besoffen in einer Bar in Japan gesessen habe. Oder Spaziergänge alleine durch die Gegend meines aktuellen Wohnorts. Ich hab so viel Leiden hinter mir. Ich hab so viel Gedanken, mentale kapazität und emotionale Kapazität an diesem Verlangen verloren. Es zieht sich durch mein Leben der letzten wenigen Jahren. Die Musik die ich mag, die Filme die ich mag und was ich mir sonst noch so alles nahekommen lasse. Meine Lieblingsthemen für diese Medien sind soziale Isolation und Einsamkeit. Für mich war es in diesen Gedanken mit dir zu schwimmen, wie eine offene Tür, ein Ausweg. Und wie schon so oft in meiner Vergangenheit ist die Tür jetzt zu. Und ich glaube auch nicht, dass ich es emotional aushalten würde, wenn du doch etwas mit mir anfangen würdest. Selbst wenn du sofort mit ihm schluss machen würdest, könnte ich glaube das nicht mit mir vereinbaren. Einerseits weil ich mich zu schuldig fühlen würde dich in die Richtung manipuliert zu haben, und weil ich mich nicht sehen kann mit dem Gedanken zu leben, wie du bei der Entscheidung standest und dich gegen mich entschieden hast. Du hattest mich noch einmal gefragt ob ich vllt für dich gefallen bin, weil ich einfach so einsam bin, dass ich mich förmlich an jeden dranschmeißen würde. So hab ich den Kommentar verstanden. Das ist ein Thema das mich sehr beschäftigt. Wenn du einmal so tief am Boden liegst wie ich ist es nur logisch nach allem zu greifen was einem in den Köcher fällt. Wir witzeln auch oft im Freundeskreis über Leute die dauersingle sind das sie >keine Ansprüche haben<. Ich kann den Gedanken nicht ganz dementieren. Aber trotzdem will ich nicht glauben, dass ich so down bad bin als ob das einer meiner Hauptbeweggründe ist. Sonst hätte ich ja schon auf andere in meinem Freundeskreis hitten können. Ich hatte schon das Gefühl, dass wir eine besondere Verbindung hatten. Bei dir hatte ich eben auch diese Gefühle mir Szenrios vorzustellen und mich Eifersüchtig zu fühlen. Es tut mir leid dich in diese Situation gebracht zu haben. Ich hoffe du kannst es emotional verarbeiten mir trübsal angetan zu haben. Und bitte das meine ich nicht als Vorwurf. Es ist halt deine Autonomie die du zurecht ausübst und damit (ohne das du es willst) halt auch Nebeneffekte verursachst. Aber dir will ich die Verantwortung für diese nicht geben. Ich weiß nicht wie es ab hier weitergehen soll. Ich glaube ich sollte auf Distanz gehen. Oder sollte ich eine fake Freundschaft aufbauen und den ganzen Kram einfach verdeckelt lassen? Einen Therapeuten suchen? Ich hatte neulich ein schönes Zitat von einem russischen Autor gelesen. „I swear to you that to think too much is a disease, a real, actual disease.“ Wenn das stimmt dann habe ich wohl diese Krankheit. Grüße und viel Glück im Leben 28.09.2024